Erfahrungsbericht Sist Modellbau Fw 190 Dora im Massstab 1:5
«Pass uf, gib acht» ruft Markus Bachmann. Er agiert als Erstflugbeobachter. Immer wenn sich die Fw 190 in ihrem Hexentanz wiederholt aufbäumt und über den Flügel abzukippen droht, wiederholt er seinen Appell an mich. Mein erhöhter Puls senkt meine kognitiven Fähigkeiten. Meine Gedanken drehen sich nicht um die Frage, mit welchen Steuerbefehlen das Modell zu retten ist, sondern kreisen um die lähmende Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit. Die Schwerpunktlage ist zu weit hinten einbalanciert! Zudem ist das flap trim setting mit einem positiven Vorzeichen (beim Klappen ausfahren wird Höhenruder bei gemischt) falsch programmiert.
Die möglichen Höhenruderausschläge sind viel zu gross. Intuitiv setzte ich etwas mehr Leistung und nehme nur minimale Höhenruderkorrekturen vor.Das Modell fliegt in einer starken Pumpbewegung den dritten Vollkreis. Das Fahrwerk ist nun wieder ausgefahren. Die relativ schweren Aluminium Scaleräder bringen im ausgefahrenen Zustand den Schwerpunkt wieder etwas weiter nach vorne. Nach mehrmaligem verwechseln der Klappen und Fahrwerkkippschaltern am Sender, sind auch die Klappen wieder eingefahren. Mit noch etwas mehr Motorenleistung lässt sich die Fw 190 stabilisieren. Ich kann einen leichten Sinkflug trimmen und so den Landeanflug einleiten. Erst über dem Pistenanfang nehme ich langsam das Gas raus, dadurch hebt sich die Nase leicht und das Modell setzt mit etwas Energieüberschuss sanft auf. Nach dem Ausrollen der Dora stehe ich verblüfft da. Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen Trümmerhaufen, aber unversehrt steht der Flieger im Gras. «Jetzt hast du aber Nerven bewiesen» anerkennt Markus. Wie man`s nimmt….Zum Glück weiss Markus nicht, mit welch grossem Widerwillen ich die, dem Baukasten beigelegten, Schwerpunkt- und Einfluganweisungen gelesen, respektiv überflogen habe. Was soll da schon wichtiges stehen was ich nicht bereits weiss! Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass diese Einstellung fast zu einem Totalschaden geführt hätte. Der Ärger über meine Nachlässigkeit lässt die Freude über den gut ausgegangenen Erstflug leicht verzögert aufkommen. Das war Adrenalin pur.
Für den Erstflug habe ich nur das Nötigste fertiggestellt. Der neue Leomotion Big Boy, ein grosser, drehmomentstarker High-End-Aussenläufer, dreht einen grossen dreiblatt Ramoser Propeller. Der Pilot ist in Frankenstein Manier aus diversen Einzelteilen zusammengestellt. Das Sierra Giant Fahrwerk wird durch eine Electron Mechanik elektrifiziert. Einige Accessoires lassen es etwas vorbildgetreuer wirken. Der von Sist Modellbau leider nicht mehr hergestellte voll GFK Bausatz lässt kaum Wünsche offen. Die Oberfläche des Modells ist sehr vorbildgetreu. Die Fertigung, Passgenauigkeit und Festigkeit ist sehr gut. Letzteres schlägt sich etwas im Gewicht nieder. Ein bescheidener Kritikpunkt. Alles in allem, richtig zusammengestellt und sich an die Anweisungen haltend, ein absolutes sorglos Paket. Eine willkommene Abwechslung auf meinem Baubrett. Trotzdem mag ich die Herausforderung. Wo keine Hindernisse sind, werden welche geschaffen.
Die Fw 190 D9, auch Dora genannt war, zum Ende des zweiten Weltkrieges ein hochentwickeltes, erfolgreiches Jagdflugzeug, obwohl das Konzept mit dem Bombermotor Jumo 213 eine Notlösung war. Sofort ins Auge sticht der riesige dreiblatt Holzpropeller. Um diesem Aspekt am Modell gerecht zu werden, wird ein etwas grösserer dreiblatt Varioprop mit 65cm Durchmesser geordert.
Den gleichen Leomotion Big Boy Motorentyp mit Varioprop, habe ich seit längerem auch in der Me 109 Emil eingebaut. Den 60cm Durchmesser Varioprop habe ich in der Steigung hochgeschraubt, bis der 135A Regler bei Testversuchen am Boden an seine Leistungsgrenze kommt, welche aber im Flug durch die Fluggeschwindigkeit nicht erreicht wird. Funktioniert soweit sehr zufriedenstellend.
Der neue Dora Propeller passt zwar auf die Leomotion Motorenwelle, jedoch fehlt die Befestigungsmöglichkeit. Kein Problem, der Motor wird zerlegt, was im ersten Moment durch das starke Magnetfeld des Aussenläufers gar nicht so einfach ist. Motorenwelle anpassen und wieder zusammenbauen. Auch das ungewohnt, das sehr starke Magnetfeld lässt kaum mechanisches Feingefühl aufkommen. Der Anker wird immer wieder in den Anschlag gezogen. Ein eingesetzter Sicherungsring fixiert den Anker in der korrekten Position. Präziser Formuliert: ein korrekt eingesetzter Sicherungsring würde den Anker in Position halten.
Propeller zusammengesetzt, auf die für mich bewährten, etwas über 20 Grad Steigung eingestellt und montiert. Ein kurzer Testlauf im Garten soll vor dem Erstflug Aufschluss über die Leistungskurve des Antriebskonzeptes mit grösserem Propeller geben. Seltsam, beim vorsichtigen Gas geben glaube ich zu erkennen, wie sich die Propellerebene leicht nach vorne verschiebt, was eigentlich nicht möglich ist. In meinem Kopf dreht nur der Ventilator des Prozessors, Rechenleistung bleibt aus und ich gebe weiter Gas. Wie eine selbst fliegende Rasenmäherklinge schwirrt der Propeller samt Aussenläufermotorteil durch die Luft, zerschneidet die Abdeckplane der Gartensitzbank und kommt ca. 10m weiter vorne zum Stillstand. An den gleichmässig parallel verlaufenden Schnitten in der Abdeckplane, lässt sich unschwer die Propellersteigung erkennen. Oder in meinem Fall wieder genauer formuliert: die zu grosse Steigung ableiten. Der Sicherungsring ist nicht in der dafür geschaffenen Nute eingerastet. Er liegt in der Motorhaube als wäre ihm nie, eine andere Aufgabe zugedacht worden. Er heisst doch Sicherungsring, oder?
Ich lasse mich nicht entmutigen, zumal die Ursache klar ist. Der Sicherungsring ist nun korrekt eingerastet, ein zweiter Testlauf steht bevor. Behutsam schiebe ich den Gasknüppel nach vorne. Alles hält, der Propeller reisst wie ein wildes Tier am Flieger. Eine wahre Freude. Ich kann nicht fassen was ich sehe: Flammen schlagen aus der Auspuffgegend. Die Ernüchterung kommt mit dem Ausdrehen des Propellers. Der Regler wurde durch eine Stichflamme abgefackelt. Ein penetrant stinkender Rauch steigt mir in die Nase. Mein Hirn gesellt sich nun auch wieder dazu…… die 20 Grad Propellersteigung betreffen den Getriebemotor nicht für den Big Boy! Bei 150 U/Volt braucht der Propeller nur etwa 16 Grad Steigung.
Der Erstflug steht bevor, nach so vielen Tiefschlägen kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Der Erstflug ist vorbei, die Dora zurück auf dem Baubrett. Das 12S Akkupack wird weiter vorne im Motorhaubenbereich fixiert. Die Aluräder werden durch leichtere, aus dem 3D Drucker kommende, lasersinter Kunststoffräder ersetzt. Der Cockpitausbau erfolgt schrittweise. Auf diverse Fertigteile wird zurückgegriffen. Das Meiste entsteht in Eigenregie. Immer wieder wechseln sich Flüge und Baubrettaufenthalte ab. Etwa zwanzig völlig problemlose Flüge konnte ich bereits machen. Mit korrekter Schwerpunktlage und angepassten Höhenruderausschlägen, ist die Maschine ein fliegerischer Genuss auch mit «ü50 Hirn ????».
Eine Regenfront zieht durch, der perfekte Zeitpunkt, die Airbrushpistole zu aktivieren.
Auf der Suche nach einer passenden Vorlage, durchforste ich meine gesammelten Unterlagen über die Fw 190. Die Auswahl der möglichen Farbvorlagen war begrenzt, da eine Mehrheit der Fw 190 D9 schon mit der neuen, etwas stärker gewölbten, Kabinenhaube mit verbesserten Rückenpanzerung ausgeliefert wurden. Der Bausatz enthält die Vorgängerversion mit geradlinig verlaufender Kabinenhaubenform. In die engere Wahl kam die «weisse 2» der 9. Staffel des Jagdgeschwaders 54. Diese Maschine wurde vor allem von Feldweibel Ungar geflogen und in den Tagebüchern von seinem Staffelkommandanten Hans Dortenmann gut dokumentiert. Diese Tagebücher, ergänzt mit Briefen von Angehörigen und Augenzeugenberichten, wurden von Axel Urbanke in dem Buch «Mit Fw 190 D-9 im Einsatz» veröffentlicht. Die Maschine weicht nur minimal von den erlassenen Tarnrichtlinien ab und wurde im September 1944 fabrikneu für die Umschulung der Piloten in Varrelbusch im Nordosten Deutschlands eingesetzt.
Angesprochen hat mich auch die, von der Firma Fieseler in Lizenz als Werknummer 600150 gefertigte und von Oberstleutnant Gerhard Michalski, Geschwader Kommandant Jagdgeschwader 4, geflogene Dora.
Die Maschine ist umfassend dokumentiert. Zahlreiche Fotos, der in Frankfurt am Main von den alliierten Streitkräften nach der Kapitulation übernommenen Maschine, wurden von anerkannten Autoren ausgewertet. Gut recherchierte, aber unterschiedlich ausgelegte Farbprofile sind in diversen Publikationen erschienen. Auffallend sind die Tarnflecken auf der Motorhaube mit dem Ritteremblem des Jagdgeschwader 4, welche von der Truppe nachträglich angebrachten wurden.
Nach neusten Erkenntnissen, festgehalten in den Werken «The Focke Wulf Dora von Jerry Crandall», wurde die Maschine nicht in der neu geforderten Tarnung ausgeliefert. Crandall geht davon aus, dass bei Fieseler zu diesem Zeitpunkt die alten Farbbestände aufgebraucht wurden. Nicht alle Experten teilen diese Meinung. So sind auch Modelle in der neuen, in mehr Grüntönen gehaltenen, Tarnung zu finden.
Die Farbgebung der Luftwaffenflugzeuge gegen Ende des zweiten Weltkrieges wird kontrovers diskutiert und ist ein Thema in so manchen Aviatik Publikationen. Laufend werden die historischen, monochromen Aufnahmen mit verbesserten Technologien neu ausgewertet. Trotzdem bleibt einiges unklar und bietet so die Grundlage für Spekulationen und mehr oder weniger fundierten Interpretationen. Als gesichert gilt, dass die zunehmend in die Defensive getriebene Luftwaffe ihre Tarnschemen entsprechend angepasst hat. Neu galt es die Flugzeuge am Boden zu tarnen, um diese vor den übermächtigen alliierten Luftstreitkräften zu verbergen. Dunkelbraune und grüne Farbtöne aus der Panzer- und Gebäudetarnung kamen zur Anwendung. Die Umsetzung der neuen Tarnvorschriften gestaltene sich schwierig, da die deutsche Luftfahrtindustrie durch Bombardierung stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Diverse Subunternehmer fertigten einzelne Baugruppen. Diese wurden in improvisierten, zum Teil unterirdischen Anlagen zusammengesetzt und erhielten da auch erste Tarnfarben. Erlasse zur Vereinheitlichung der gewünschten Farbgebung wurden publiziert, aber nur zögerlich oder zeitlich versetzt umgesetzt. Zudem machte sich der Rohstoffmangel auch in der deutschen Farbindustrie bemerkbar. Durch die eingesetzten Ersatzstoffe oder das Fehlen entsprechender Farbpigmente, differierten die durch das Reichsluftfahrtministerium (RLM) genormten Farbtöne. Fabrikneue Flugzeuge waren im letzten Kriegsjahr kaum von revidierten und mit Ersatzteilen ergänzten Maschinen zu unterscheiden.
Schlussendlich entscheide ich mich für die Michalski Maschine. Neben den entsprechenden Vallejo Farben kaufe ich auch diverse Patina- und Pigmentzusätze, um die Gebrauchsspuren zu imitieren. Als Erstes habe ich den Flieger in Aluminiumfarbe grundiert. Dies entspricht dem richtigen Farbschichtenaufbau, da zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Luftfahrtindustrie, auf Anweisung des RLM, die Grundierung mit Korrosionsschutz weggelassen wurde. Abnutzungsspuren können so durch Abrieb leicht imitiert werden. Der Farbauftrag wird minimal gehalten, was auch der damaligen Technik entspricht. Die Aluminiumgrundierung schimmert leicht durch die hellblaue Unterseitenfarbe. Bei so viel Interpretationsspielraum in der Farbgebung folge ich meinem eigenen Geschmack oder bin durch mein Können limitiert. Das Weathering erfolgt schrittweise und kann erst abgeschlossen werden, nachdem alle Decals und Hoheitszeichen angebracht sind.
Das Grundtarnmuster, mit den von der Truppe angebrachten Anpassungen, ist soweit fertig und funktioniert… geflogen bei etwas diffusen Lichtverhältnissen lässt sich die Fluglage des Modells kaum erkennen!
Die Decals und Spritzschablonen für die Michalski Maschine sind bei Tailor Made Decals bestellt. Der kurze Ärger über die erhobenen Zoll- und Abfertigungsgebühren ist nach dem Öffnen der Schachtel schnell verflogen. Die, in sehr guter Qualität ausgeführten, kleinen Decals, wie Wartungshinweise oder Staffelembleme, motivieren zur Fertigstellung der Dora.
Ich gehe von einer, nach Vorschrift gelieferten Maschine aus. Das heisst, alle geforderten Wartungshinweise wurden vor der Auslieferung angebracht. In den Händen der Truppe wurden die nötigen Anpassungen gemacht. Praxisorientierte Wartungshinweise wurden zusätzlich von Hand aufgemalt und Staffel und Rangabzeichen mit Schablonen aufgespritzt. Dies gelang bei dieser Maschine nicht ganz fehlerfrei. Der Verlauf der Rangabzeichen ( ‹+- ) war in der Höhe leicht versetzt. Das Schwarz der Balkenkreuze am Rumpf wurde mit RLM 74 übermalt. Die Beweggründe lassen sich heute nicht mehr lückenlos herleiten. Auch bei mir klappt nicht alles auf Anhieb. Die Rumpfkennungen muss ich überschleifen und nachbessern. Aber alles in allem bin ich mit dem Ergebnis zufrieden und meine Werknummer 600150 reiht sich nahtlos in die Modellinterpretationen der Michalski Maschine ein. Ich hoffe sie liegt etwas näher am Original, als so manche China Folienkiste…????